Du bist ein Gott, der mich sieht

Du bist ein Gott, der mich sieht

1.Mose 16, 13

Je nachdem, wie ein Mensch in seinem Denken aufgestellt ist, kann diese Aussage als ein Jubelruf oder als ein bedrückt heraus gemurmeltes Bekenntnis verstanden werden.
Doch wer sich die ganze Geschichte im recht kurzen Kapitel 16 im 1.Buch Mose durchliest, wird feststellen, dass diese Aussage fern jeder Freude geäußert wurde. Beachtenswert: auch in diesem Kapitel steckt ein Stück Weltgeschichte.

Berücksichtigt man die Vorgeschichte und ruft sich in Erinnerung, dass Abraham Verheißungen Gottes erhielt, dann kann man dieser Geschichte mehr Tiefe und Aktualität abgewinnen.
Abraham wurde zuvor verheißen, dass er viele Nachkommen haben werde und diesen Nachkommen Land gegeben wird.
Nun wurde die Verheißung nicht über Nacht Wirklichkeit und Abram und Sarai wurden offenbar ungeduldig. Und so wurde den sich zögerlich realisierenden Plänen Gottes noch nachgeholfen.
Aber wenn Menschen versuchen Gottes Plänen und Gottes Willen nachzuhelfen, dann wird alles schwieriger und es schwingt immer ein Anteil an Schuld, den die Beteiligten auf sich laden.

Nach menschlichem Verständnis gelangte Sarai zu dem Schluß, dass der Erbe der Verheißung Gottes nicht von ihr geboren werden könne. Dadurch entstand eine Kette von fragwürdigen Handlungen, um zum Ergebnis zu kommen, der Gottes Willen entsprechen soll.
Was den heutigen Menschen merkwürdig vorkommen mag, war in der damaligen Zeit eine Vorgehensweise, die den damaligen Gebräuchen entsprach und gesellschaftliche Akzeptanz hatte: Die Magd soll ein Kind gebären, es wird Adoptiert und erhält das Erbe.

Der Plan Sarais ist ein Ausdruck von geringem Glauben und Vertrauen in Gott. Sarai hat es sicherlich gut gemeint. Aber der Plan erhält im Laufe der Geschichte eine bittere Wendung für alle Beteiligten: Sarai erfährt die Demütigung durch eine hochmütig gewordene Hagar. Hagar erlebt Hochmut und Fall und flieht aus Angst. Und Abram folgte dem Rat seiner Frau, so wie Adam den falschen Rat seiner Frau folgte, und war mitten in einer Verkettung von Ursache und Wirkung gefangen, die in der späteren Zeit viele Probleme bereiten sollten.

Die Geschichte verläuft nicht im Sande. Genauer: Hagar floh in die Wüste und begegnete in ihrem Elend einen Engel Gottes.
Gott lässt diese Frau nicht in Stich. Gott hört sich den Kummer an, wenn man sich zu ihm zuwendet. Und Gott handelt. Sie wird getröstet und erhält eine Verheißung, dass sie eine Stammutter und ihr Sohn der Stammvater eines großen Stammes werden würde. Ein Stamm an wilden, feindseligen Menschen, die in der Wüste leben würden.
Dort am Brunnen erhielt ihr Sohn den Namen Ismael, der mit “Gott hört” oder “denn der HERR hat dein Elend erhört” erklärt wird. Und mit dem späteren “Du bist ein Gott, der mich sieht” wird deutlich, dass wir einen Gott haben, der hört und sieht.

Ismael wurde der Vorfahre der Araber, die bis heute den Juden feindlich gesinnt gegenüber stehen. Aber sie waren nicht die verheißenen Nachkommen Abrahams. Sie machten alles nur komplizierter. Die Sünde Sarais verursachte die Entstehung der Ismaeliten. Eine Frucht, die immer noch ihre Wirkung trägt. Nebenbei bemerkt, der Urenkel Sarais (Josef) wurde von den Ismaeliten nach Ägypten verschleppt.

Diese Geschichte ist ein Beispiel dafür, wie geringer Glaube dazu führt, den Weg des Glaubens zu verlassen und einen Weg des menschlichen Denkens einzuschlagen.
Sie zeigt aber auch – und das darf Hoffnung geben – , wie Menschen wieder in den Blickpunkt Gottes kommen können, wenn sie sich – egal in welcher tiefen Not sie gerade stecken – ihm zuwenden. Dann hört Gott nicht nur, sondern sieht auch.

Es grüßt Sie

Munir Hanna
für das Evangeliumsnetz e.V.


Bildnachweis: Foto von Jeremy Bishop auf Unsplash